Stephan Grätzel: Verstummen der Natur Zur Autokratisierung des Wissens. Würzburg 1997

Die steigende kulturelle und wissenschaftliche Bedeutung künstlicher Symbole läßt zunehmend die verheerende Vorstellung entstehen, daß nicht nur die formale und mathematische Sprache, sondern Sprache überhaupt ein künstliches System sei. Diese Vorstellung führt nun nicht nur zu einer Problematik in der Sprachtheorie, sie verändert das gesamte Kommunikationsverhältnis des Menschen mit der Natur. War die Sprache der Natur immer der Ausgangspunkt für die Sprache des Menschen, so hat sich mit der definitorischen Eigenständigkeit der formalen Sprachen dieses Verhältnis geändert. Sprache braucht jetzt nicht mehr hinzuhören auf Natur, braucht nicht mehr sinnlich zu sein und Elemente des Schmeckens, Riechens, Tastens, Sehens und natürlich nicht die des Hörens in sich aufzunehmen, sie ist autokratisch geworden. Diese Veränderung beginnt bereits und grundlegend bei dem Verhalten zu dem eigenen Körper, das zunehmend einer Beziehung zu einem Fremdkörper gleicht. Das Resultat daraus ist nun nicht nur eine Veränderung des Bildes von der Natur, sondern der Natur selbst: sie verstummt und zieht sich in den Bereich des Unbewußten zurück.

Übersetzung zweier Grundwerke der modernen Philosophie durch André Hansen (Henry) und Anton van Hooff (Blondel); gefördert durch die NoMaNi-Stiftung Köln